Speranza
Atta Troll (Heinrich Heine)
Dieter Borchmeyer has pointed out¹ throughout the nineteenth
century (and indeed since the early middle ages), the biblical Herodias was
often conflated with the figure of her daughter Salome. Borchmeyer suggested
that Heinrich Heine was an important influence on Wagner when he developed the
character of Kundry. Heine's poem Atta Troll appeared serialized in the same
editions of Laube's Zeitung für die elegante Welt, in February 1843, as Wagner's
Autobiographical Sketch². Therefore it is probable that Wagner read the poem in
that journal. In Heine's poem it was Herodias who demanded the head of John the
Baptist. Until judgement day, Heine tells us, Herodias must ride, laughing, with
the Wild Hunt bearing the Baptist's head, which she still kisses.
Wagner was
more indebted to Heine than is generally realised. It is widely known that two
of Wagner's dramas (Der fliegende Holländer and Tannhäuser) drew upon a short
story and a poem respectively by Heine. It is possible -- although far from
certain -- that Wagner first encountered the myth of the Dutchman, in 1837-8, in
Heine's story about a visit to a theatre3. In each case Heine's treatment of the
respective myth is a parody, which Wagner proceeded to develop in a more serious
treatment. It is less obvious that both Tannhäuser and the earliest sketches for
Der Ring des Nibelungen show traces of the possible influence of Heine's 1837
poem Elementargeister. Finally, there are tantalizing echoes of Atta Troll, from
which an extract is reproduced below, in the second act of Wagner's
Parsifal.
XIX
Aber als der Schönheit Kleeblatt
Ragten in des Zuges
Mitten
Drei Gestalten - Nie vergeß ich
Diese holden
Frauenbilder.
Leicht erkennbar war die Eine
An dem Halbmond auf dem
Haupte;
Stolz, wie eine reine Bildsäul,
Ritt einher die größe
Göttin.
Hochgeschürzte Tunika,
Brust und Hüften halb
bedeckend.
Fackellicht und Mondschein spielten
Lüstern um die weißen
Glieder.
Auch das Antlitz weiß wie Marmor,
Und wie Marmor kalt.
Entsetzlich
War die Starrheit und die Blässe
Dieser strengen edlen
Züge.
Doch in ihrem schwärzen Auge
Loderte ein grauenhaftes
Und
unheimlich süßes Feuer,
Seelenblendend und verzehrend.
Wie verändert
ist Diana,
Die, im Übermut der Keuschheit,
Einst den Aktäon
verhirschte
Und den Hunden preisgegeben!
Büßt sie jetzt für diese
Sünde
In galantester Gesellschaft?
Wie ein spukend armes Weltkind
Fährt
sie nächtlich durch die Lüfte.
Spät zwar, aber desto stärker
Ist
erwacht in ihr die Wollust,
Und es brennt in ihren Augen
Wie ein wahrer
Höllenbrand.
Die verlorne Zeit bereut sie,
Wo die Männer schöner
waren,
Und die Quantität ersetzt ihr
Jetzt vielleicht die
Qualität.
Neben ihr ritt eine Schöne,
Deren Züge nicht so
griechisch
Streng gemessen, doch sie strahlten
Von des Celtenstammes
Anmut.
Dieses war die Fee Abunde,
Die ich leicht erkennen konnte
An
der Süße ihres Lächelns
Und am herzlich tollen Lachen!
Ein Gesicht,
gesund und rosig,
Wie gemalt von Meister Greuze,
Mund in Herzform, stets
geöffnet,
Und entzückend weiße Zähne.
Trug ein flatternd blaues
Nachtkleid,
Das der Wind zu lüften süchte -
Selbst in meinen besten
Träumen
Sah ich nimmer solche Schultern!
Wenig fehlte und ich
sprang
Aus dem Fenster, sie zu küssen!
Dieses wär mir schlecht
bekommen,
Denn den Hals hätt' ich gebrochen.
Ach! sie hätte nur
gelacht,
Wenn ich unten in den Abgrund
Blutend fiel zu ihren Füßen
-
Ach! ich kenne solches Lachen!
Und das dritte Frauenbild,
Das
dein Herz so tief bewegte,
War es eine Teufelinne,
Wie die ändern zwo
Gestalten?
Obs ein Teufel oder Engel,
Weiß ich nicht. Genau bei
Weibern
Weiß man niemals, wo der Engel
Aufhört und der Teufel
anfängt.
Auf dem glutenkranken Antlitz
Lag des Morgenlandes
Zauber,
Auch die Kleider mahnten kostbar
An Scheherezadens
Märchen.
Sanfte Lippen, wie Grenaten,
Ein gebognes
Liljennäschen,
Und die Glieder schlank und kühlig
Wie die Palme der
Oase.
Lehnte hoch auf weißem Zelter,
Dessen Goldzaum von zwei
Mohren
Ward geleitet, die zu Fuß
An der Fürstin Seite
trabten.
Wirklich eine Fürstin war sie,
War Judäas Königin,
Des
Herodes schönes Weib,
Die des Täufers Haupt begehrt hat.
Dieser
Blutschuld halber ward sie
Auch vermaledeit; als Nachtspuk
Muß sie bis zum
jüngsten Tage
Reiten mit der wilden Jagd.
In den Händen trägt sie
immer
Jene Schüssel mit dem Haupte
Des Johannes, und sie küßt es;
Ja,
sie küßt das Haupt mit Inbrunst.
Denn sie liebte einst Johannem -
In
der Bibel steht es nicht,
Doch im Volke lebt die Sage
Von Herodias blutger
Liebe -
Anders wär ja unerklärlich
Das Gelüste jener Dame -
Wird
ein Weib das Haupt begehren
Eines Manns, den sie nicht liebt?
War
vielleicht ein bißchen böse
Auf den Liebsten, ließ ihn köpfen;
Aber als
sie auf der Schüssel
Das geliebte Haupt erblickte,
Weinte sie und ward
verrückt,
Und sie starb in Liebeswahnsinn.
(Liebeswahnsinn!
Pleonasmus!
Liebe ist ja schon ein Wahnsinn!)
Nächtlich auferstehend
trägt sie,
Wie gesagt, das blutge Haupt
In der Hand, auf ihrer Jagdfahrt
-
Doch mit toller Weiberlaune
Schleudert sie das Haupt
zuweilen
Durch die Lüfte, kindisch lachend,
Und sie fängt es sehr
behende
Wieder auf, wie einen Spielball.
Als sie mir
vorüberritt,
Schaute sie mich an und nickte
So kokett zugleich und
schmachtend,
Daß mein tiefstes Herz erbebte.
Dreimal auf- und
niederwogend
Fuhr der Zug vorbei, und dreimal
Im Vorüberreiten
grüßte
Mich das liebliche Gespenst.
Als der Zug bereits
erblichen
Und verklungen das Getümmel,
Loderte mir im Gehirne
Immer
fort der holde Gruß.
Und die ganze Nacht hindurch
Wälzte ich die müden
Glieder
Auf der Streu - (denn Federbetten
Gabs nicht in Urakas Hütte)
-
Und ich sann: was mag bedeuten
Das geheimnisvolle Nicken?
Warum
hast du mich so zärtlich
Angesehn, Herodias?
XX
Sonnenaufgang.
Goldne Pfeile
Schießen nach den weißen Nebeln,
Die sich röten, wie
verwundet,
Und in Glanz und Licht zerrinnen.
Endlich ist der Sieg
erfochten,
Und der Tag, der Triumphator,
Tritt, in strahlend voller
Glorie,
Auf den Nacken des Gebirges.
Der Gevögel laute
Sippschaft
Zwitschert in verborgnen Nestern,
Und ein Kräuterduft erhebt
sich,
Wien Konzert von Wohlgerüchen. -
In der ersten
Morgenfrühe
Waren wir ins Tal gestiegen,
Und derweilen der
Laskaro
Seines Bären Spur verfolgte,
Suchte ich die Zeit zu
töten
Mit Gedanken. Doch das Denken
Machte mich am Ende müde
Und sogar
ein bißchen traurig.
Endlich müd und traurig sank ich
Nieder auf die
weiche Moosbank,
Unter jener großen Esche,
Wo die kleine Quelle
floß,
Die mit wunderlichem Plätschern
Also wunderlich betörte
Mein
Gemüt, daß die Gedanken
Und das Denken mir vergingen.
Es ergriff mich
wilde Sehnsucht
Wie nach Traum und Tod und Wahnsinn,
Und nach jenen
Reiterinnen,
Die ich sah im Geisterheerzug.
O, Ihr holden
Nachtgesichte,
Die das Morgenrot verscheuchte,
Sagt, wohin seid Ihr
entflohen?
Sagt, wo hauset Ihr am Tage?
Unter alten
Tempeltrümmern,
Irgendwo in der Romagna,
(Also heißt es) birgt
Diana
Sich vor Christi Tagesherrschaft.
Nur in mitternächtgem
Dunkel
Wagt sie es hervorzutreten,
Und sie freut sich dann des
Weidwerks
Mit den heidnischen Gespielen.
Auch die schöne Fee
Abunde
Fürchtet sich vor Nazarenern,
Und den Tag hindurch verweilt
sie
In dem sichern Avalun.
Dieses Eiland liegt verborgen
Ferne, in
dem stillen Meere
Der Romantik, nur erreichbar
Auf des Fabelrosses
Flügeln.
Niemals ankert dort die Sorge,
Niemals landet dort ein
Dampfschiff
Mit neugierigen Philistern,
Tabakspfeifen in den
Mäulern.
Niemals dringt dorthin das blöde
Dumpflangweilge
Glockenläuten,
Jene trüben Bumm-Bamm-Klänge,
Die den Feen so
verhaßt.
Dort in ungestörtem Frohsinn,
Und in ewger Jugend
blühend,
Residiert die heitre Dame,
Unsre blonde Frau
Abunde.
Lachend geht sie dort spazieren
Unter hohen
Sonnenblumen,
Mit dem kosenden Gefolge
Weltentrückter
Paladine.
Aber du, Herodias,
Sag, wo bist du? - Ach, ich weiß
es,
Du bist tot und liegst begraben
Bei der Stadt
Jeruscholayim!
Starren Leichenschlaf am Tage
Schläfst du in dem
Marmorsarge;
Doch um Mitternacht erweckt dich
Peitschenknall, Hallo und
Hussa!
Und du folgst dem wilden Heerzug
Mit Dianen und Abunden,
Mit
den heitern Jagdgenossen,
Denen Kreuz und Qual verhaßt ist!
Welche
köstliche Gesellschaft!
Könnt ich nächtlich mit Euch jagen
Durch die
Wälder! Dir zur Seite
Ritt ich stets, Herodias!
Denn ich liebe dich am
meisten!
Mehr als jene Griechengöttin,
Mehr als jene Fee des
Nordens,
Lieb ich dich, du tote Jüdin!
Ja, ich liebe dich! Ich merk
es
An dem Zittern meiner Seele.
Liebe mich und sei mein
Liebchen,
Schönes Weib, Herodias!
Liebe mich und sei mein
Liebchen!
Schleudre fort den blutgen Dummkopf
Samt der Schüssel, und
genieße
Schmackhaft bessere Gerichte.
Bin so recht der rechte
Ritter,
Den du brauchst - Mich kümmerts wenig,
Daß du tot und gar verdammt
bist -
Habe keine Vorurteile -
Haperts doch mit meiner
eignen
Seligkeit, und ob ich selber
Noch dem Leben angehöre,
Daran
zweifle ich zuweilen!
Nimm mich an als deinen Ritter,
Deinen
Cavalièr-servente;
Werde deinen Mantel tragen
Und auch alle deine
Launen.
Jede Nacht, an deiner Seite,
Reit ich mit dem wilden
Heere,
Und wir kosen und wir lachen
Über meine tollen Reden.
Werde
dir die Zeit verkürzen
In der Nacht - Jedoch am Tage
Schwindet jede Lust,
und weinend
Sitz ich dann auf deinem Grabe.
Ja, am Tage sitz ich
weinend
Auf dem Schutt der Königsgrüfte,
Auf dem Grabe der
Geliebten,
Bei der Stadt Jeruscholayim.
Alte Juden, die
vorbeigehn,
Glauben dann gewiß, ich traure
Ob dem Untergang des
Tempels
Und der Stadt Jeruscholayim.
Wagner's failure to
acknowledge his literary debt to Heine seems odd when we consider that Wagner
had openly defended the poet at the time of his exile from Germany. Part of the
explanation might be found in the remarks about Heine in Wagner's ill-tempered,
anti-Semitic essay Judaism in Music, which was addressed not only to Jewish
musicians but also to Jewish poets. Wagner's failure to credit Heine as a source
of inspiration is consistent, however, with his attempts to play down the
influence of his contemporaries on his works and to emphasise that he had found
his material in older literature and in folk-tales. In the case of Parsifal
Wagner was even more reserved in acknowledging any influences or sources; he was
even dismissive about Wolfram's poem Parzival.
Postscript:
Herodias, Holda and Venus
Since adding the extract from Heine's poem to this
web site, we have found in Jessie L. Weston's Legends of the Wagner Drama an
account of a tradition -- Weston called it a weird story -- behind Heine's poem
with a reference to Herodias that might have been known both to Heine and to
Wagner.
rimm's Deutsche Mythologie, a book that Wagner knew well, contains a
number of references to the folk-tales about Herodias or Herodes (who were
originally, it is almost certain, distinct). Including the
following:
The story of Herod's daughter, whose dancing brought about
the beheading of John the Baptist, must have produced a peculiarly deep
impression in the early part of the Middle Ages, and in more than one way got
mixed up with fables. Religious poets treat the subject in full, and with
relish... It was imagined, that on account of her thoughtless rather than
malicious act (for the proposal came from her revengeful mother), Herodias (the
daughter) was condemned to roam about in company with evil and devilish spirits.
She is placed at the head of the 'furious host' or of witches' nightly
expeditions, together with Diana, with Holda and Perahta, or in their stead. ...
She was inflamed by love for John, which he did not return; when his head is
brought in on a charger, she would fain have covered it with tears and kisses,
but it draws back, and begins to blow hard at her; the hapless maid is whirled
into empty space, and there she hangs for ever... There is no doubt whatever,
that quite early in the Middle Ages the Christian mythus of Herodias got mixed
up with our native heathen fables: those notions about dame Holda and the
'furious host' and the nightly jaunts of sorceresses were grafted on it, the
Jewish king's daughter had the part of a heathen goddess assigned her (Ratherius
says expressly: "into dea"), and her worship found numerous adherents. In the
same circle moves Diana, the lunar deity of night, the Wild Huntress; Diana,
Herodias and Holde stand for one another, or side by side. [Deutsche Mythologie,
"Diana - Abundia", page 263]
ere the association of Diana and Herodias is
interesting because both names appear in Heine's poem, as quoted above. Also
Diana or dame Holda or dame Perahta as the leader of the Wild Hunt, which in
other versions is led by a god, who is in the Nordic tradition identified as
Odin (=Wotan). Hence Wagner's remark that Kundry was like Wotan. Further because
Holda (in praise of whom Wagner's shepherd-boy sings in the first act of
Tannhäuser) was identified with Venus, who led the revellers of the furious host
into the Venusberg. Therefore Herodias, when identified with dame Holda as the
Wild Huntress, provides a link between Kundry and Venus. Herodias is also
sometimes identified with the goddess Freia (see, for example, Simrock's
Handbuch der deutschen Mythologie mit Einschluss der Nordischen of 1855, page
248). Interestingly, Simrock mentions these traditions in relation to the Grail
legend in an appendix (12. Deutung des Gralsmythus) to his 1842 translation of
Parzival, which Wagner first read in 1845.
The strangest tale of all those
told by the German people is the romantic legend of the goddess Venus, who, when
her temples were torn down, fled to a secret mountain where she now leads the
most fantastical life of pleasure in the company of carefree spirits of the air,
together with fair nymphs of woodland and water, and many a famous hero who has
suddenly vanished from the face of the earth.
[Heinrich Heine,
Elementargeister, 1837. An essay that might have influenced not only Wagner's
Tannhäuser (which is more obviously indebted to Heine's parody) but also his
Ring.]
The ancient Germanic goddess Holda, benign, gentle and
merciful, whose yearly progress through the countryside brought prosperity and
fruitfulness to the fields, was forced, at the advent of Christianity, to suffer
a similar fate to that of Wodan and all the other gods whose existence and
miraculous powers, being so deeply rooted in popular faith, could not be wholly
gainsaid, but whose erstwhile beneficient influence was seen as suspect and
reinterpreted as something evil. Holda was banished to subterranean caverns and
mountain interiors; her emergence into the world was thought to herald disaster,
her retinue likened to that of the Wild Hunt. Later (while the common folk
continued to believe unconsciously in her gentle influence animating nature),
her name became merged with that of Venus ...
[Richard Wagner, Introduction
to the libretto of Tannhäuser, 1845. In SSD vol. XVI, page 186. See also WWV 70,
Text IV.]
Footnote 1: Richard Wagner: Theory and Theatre by Dieter
Borchmeyer, tr. Stewart Spencer, Clarendon Press Oxford, 1991. Translated from
Das Theater Richard Wagners. See in particular pages 201-3.
Drama and the World of Richard Wagner by Dieter Borchmeyer, tr. Daphne Ellis,
Princeton Univ. Press, 2003. Translated from Richard Wagner: Ahasvers
Wandlungen. See page 80.
Richard Wagner: Theory and Theatre,
page 192.
First discussed by Borchmeyer in Richard Wagner:
Theory and Theatre on pages 201-204. A revised version of the essay, in which
several factual errors have been corrected and some judgements reconsidered,
contains a later version of the same discussion: this appeared in Drama and the
World of Richard Wagner on pages 89-93.
Saturday, February 23, 2013
Subscribe to:
Post Comments (Atom)
No comments:
Post a Comment